Freitag, 28. September 2007

legalize the mettwurstsandwich

Wo ich ja neulich erst was über alte Bewerbungen geschrieben habe, da fällt mir noch was ein. Da hat wer wen gesucht, für Datenerfassung. Das ist, wenn man allerhand Daten nimmt, und die in den Computer reintut. Fachleute benutzen dafür dann die Tastatur. Gibt es auch als Außendienst, da fährt man zum Kunden hin. Daß ich hinfahren kann, das hab ich der Firma gleich gezeigt. Bin nämlich hingefahren. Also zur Firma. Die haben mich ja auch eingeladen, von wegen Gespräch. War Samstag, da hat man ja Zeit. Also ich das Auto geschultert und nix wie hin, vorher noch bissi geguckt, was das so für eine Firma ist. Vermögensberatung, naja das sagt jetzt so viel nicht aus. Da gibt es welche die sind seriös bis zum gestärkten Kragen. Und welche, das sind eher komische Vereine.
Lass ich mich mal überraschen, der Internetauftritt von dem Verein ist zumindest schön bunt und voluminös. Also hin, rein ins Büro....äh...kein Büro? Da steht ein Reihenhaus, ja bin ich denn falsch abgebogen? Achso, nein, die haben da als Büro einfach eine Wohnung gemietet und da, wo normal Wohn- und Schlafzimmer sind, stehen jetzt Schreibtische. Ganz schön clever, auf die Art haben die auch gleich ne Küche mit bei. Genau in diese Küche werde ich verfrachtet, erstmal warten. Ok, bin ja auch 10 Minuten zu früh, da kann man auch ne halbe Stunde warten. ist ja heute Bewerbermarathon, da dauert das bissi. Mal unter uns, das war aber ein kleiner Marathon...so mit einem Teilnehmer....mir. Zwischendurch kommt der Oberchef rein, Marke "Jung, dynamisch und das Grinsen ist in der Fresse festbetoniert", stellt sich vor und bietet mir Kaffee und Mettbrötchen an. Kaffee mag ich keinen, Kleingeld für den Automaten hab sowieso keins, und Mettbrötchen mag ich nicht. Normal zwar schon, aber ich hab schon gut gefrühstückt, und Mettbrötchen ohne Pfeffer, Salz und Zwiebeln sind pfuibäh. Also warte ich unkauend weiter und sehe mich ein wenig in der Küche um. Hui, hängen da viele Bilder. Also Fotocollagen, wie wir sie damals immer im Kunstunterricht machen mussten. Nur hässlicher. Zwischen zu vielen und zu bunten Schriftzügen überall Fotos dauergrinsender Mitarbeiter in allerlei Lebenslagen. Das gesamte Team beim Wandern, das gesamte Team auf einer Segelyacht, das gesamte Team auf einer bombastionellen Tagung, das gesamte Team auf einem noch bombastionelleren Jahrestreffen der tollsten Vermögensberater von Welt. Normale Urlaubsbilder, Ansichtskarten, Fotos von den Kindern oder Schnappschüsse vom Schreibtisch hat es keine. Immer nur das gesamte Team. Und immer mit diesem Ausdruck "Hui, watt sind wir mal toll" im Gesicht. So ganz langsam frage ich mich, ob ich hier eventuell nicht in einer Firma, sondern doch eher in einer Sekte bin? Das ist ja schon verdächtig, wie sehr diese Leute auch in ihrer Freizeit zusammenglucken und wie großen Wert sie darauf legen, ihre gemeinsamen und fürchterlich exclusiven Events zu dokumentieren.
Geht fort, Du finstrer Gedanke, das ist sicher ne tolle Firma, die verstehen sich halt alle gut. Ah, da kömmt man schon, um mich zum Gespräch zu bitten. Rein im Büro...äh...apropos Büro, davon gibt es hier nur 2. Bisher habe ich 5 Angestellte gesehen...wo zum Henker soll ich denn arbeiten? Im Keller? Egal, erstmal das Gespräch geht ja jetzt los. Aha, das soll nur so ein allgemeines Kennenlernen sein. Ich darf keine Fragen stellen zu der Arbeit, die wollen nur von mir was wissen. Aaaahja. Na dann frag mal, Madame. Es folgen eine Menge mehr oder weniger belanglos wirkender Fragen, die aber scheinbar auf zwei Dinge abzielen:
1) hat der Kerl einen großen Freundeskreis, der gut verdient?
2) hat er irgendwelche nicht zu teuren Träume, mit denen man ihn gegebenenfalls ködern kann?
3) Hey! Ich sagte 2 Dinge!
Irgendwie scheinen meine Antworten nicht wirklich gut zu sein. Reiche Freunde hab ich eh keine und mein spontan geäußerter Traum wäre auch zu teuer. Als ich noch erwähne, daß mir ein abschätzbares Gehalt wichtig ist, verzieht sich das Dauergrinsen leicht. Sorry, is aber so. Ich bin nicht der Typ, der gerne auf blauen Dunst hin arbeitet, ich weiß schon gerne vorher, was ich ungefähr an Geld für den Monat zur Verfügung habe. Da bin ich konservativ.
Ja aber trotzdem super, Madame bedankt sich, und man meldet sich bei mir. Dann gibt es ein richtiges Gespräch, da darf ich dann sogar auch mal was über die angestrebte Tätigkeit fragen und dann gibt es Schulungen, natürlich am Wochenende. Ist ja auch schrecklich kompliziert, Sachen in einen Computer einzugeben.

Zuhause fang ich dann mal an, mich etwas genauer über diese Firma zu informieren. Hätte ich vielleicht vorher machen sollen, dann hätte ich mir das Benzin sparen können. Diese Firma ist nämlich eine lustige Vermögensberatung, die als Strukturvertieb arbeitet. Kann man auch Multi Level Marketing zu sagen. Pyramidensystem oder Schneeballsystem kann man aber nicht sagen, das is verboten. Ablaufen tut das so. Äh...ich erklär erstmal, wie ein Vermögensberater arbeitet.

Also, der ehrliche Vermögensberater ( jawoll, sowas gibt es ) verkauft natürlich gerne Versicherungen an seine Kunden. Gerne auch an Neukunden. Macht er das, bekommt er eine Provision. Wie hoch die Provision ist, hängt ganz von der Versicherung ab, aber danach geht der ehrliche Berater nicht. Der verkauft seinem Kunden nämlich genau die Versicherung, die für diesen am besten ist. Da bekommt er zwar vielleicht etwas weniger Provision, aber hat einen zufriedenen Kunden. Das ist auch schön, weil dieser Kunde eventuell so zufrieden ist, daß er in ein paar Jahren wieder was abschließt. Gerne auch beim ehrlichen Berater. Zusätzlich bekommt der Berater von der Versicherungsgesellschaft nach einer Weile eine Bestandsprovision. Hat er also einem Kunden eine Lebensversicherung verkauft, und der kündig die nicht, dann bekommt der Berater dafür so eine Art Treueprämie. Er hat also einen guten Grund, nur zufriedene Kunden zu haben.

Anders ist das beim Mettwurstgrinsberater. Der verkauft seinen Kunden auch Versicherungen, aber bitteschön nur die, die auch die fetteste Provision bringt. Ob der Kunde die irgendwann stinksauer wieder kündigt, ist egal. Hauptsache, die Provision kommt rein, Bestandsprovision gibt es nämlich keine. Zumindest nicht für den einfachen Mettwurstgrinsberater. Da setzt nämlich die Struktur ein, welche in etwa besagt "Je Chef, desto Geld". Als Chef bekommt man nämlich nicht nur einen mehr oder weniger großen Anteil der Provision seiner Untergebenen ( natürlich zahlt das Versicherungsunternehmen nicht mehr Geld, das wird eben einfach aufgeteilt ), sondern kassiert auch mal eben die komplette Bestandsprovision. Da hat man als einfaches Mettwurstgesicht natürlich reichlich Motivation, selbst Chef zu werden. Also vieleviele neue Kunden übers Ohr hauen werben, vieleviele Verträge abschließen und vieleviele neue Mettwurstberater anheuern. Das ist toll, da verdient man mehr Geld, und ganz viel mehr Geld verdient einer: die Obermettwurst.

So ganz langsam, aber ziemlich sicher verdichtet sich in meinem vom Pfirsichtee vernebelten Hirn das Bild von einem Unternehmen, das irgendwie echt schräg drauf ist. Sektenmässig eben. Mit Gehirnwäschen Schulungen -auch gern im edlen Ambiente- mehr Gehirnwäsche Siegerehrungen für die fleissigste Mettwurst -gern auch mit Promis als Gästen- und natürlich noch mehr Gehirnwäsche dollen Bonusleistungen für erfolgreiche Mettwürste -Yachturlaub oder so-. Notfalls kann man ja auch mit Erfüllung des nicht zu teuren Traumes aus dem ersten Gespräch winken. Mein Traum war scheinbar zu teuer, oder mein Freundeskreis zu klein und arm. Jedenfalls bekam ich nach einer Weile dann eine Absage, über die ich mich dann auch aufrichtig gefreut habe. Ich hätte zwar ganz gerne noch in einem zweiten Gespräch gefragt, wo genau ich denn hätte arbeiten sollen und wieso zur Hölle diese Hutschachteln Datenerfasser ausschreiben, wenn sie Vermögensberater suchen, aber unterm Strich wäre das nur Zeitverschwendung gewesen. Das Dauergrinsen wäre Madame sicher nicht effektvoll genug entgleist, um den Aufwand zu rechtfertigen.

Und die Moral von der Geschicht? Wenn man zu solchen Vorstellungsgesprächen eingeladen wird, sollte man vorher nichts essen. Aber Salz, Pfeffer und Zwiebeln mitbringen. Dann kann man da wenigstens lecker was futtern. Denn wenn man auf Mett ist, dann hat man auch nur Freunde, die selber auf Mett sind.

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