Mittwoch, 15. Oktober 2008

ich werde diese schallplatte nicht kaufen...

...sie ist zerkratzt. So oder ähnlich hat Marcel Reich-Ranicki seine Ablehnung des "Dingenspreises für Fernsehkram und solches Zeug" formuliert. Und helle Begeisterung macht sich breit. Man weiß zwar nicht so genau, ob das jetzt ein spontaner Ausbruch war, oder ob das "HB-Männchen der Literaturkritik" gut vorbereitet aus allen Wolken gefallen ist. Aber, man stimmt ihm zu. Ich habe jetzt -wenn ich schon die Preisverleihung nicht gesehen habe; ich sehe relativ wenig in die Röhre- eine Weile verschiedene Suchmaschinen gequält. Und ich finde durch die Bank weg nur Zustimmung. Woran mag das liegen? Hat man Angst, sich durch Kritik an Reich-Ranicki in die Ecke der Trottel zu stellen, von denen die Call in Shows leben? Oder hat der Mann schlicht und ereifernd ergreifend recht? Ich wähle Tor 2.

Nur, jetzt frage ich mal ganz blöd, was zum Henker läuft denn da schief? Die Sender machen Programm für die Masse. Und die Masse findet das Programm beschissen. WTF? War da nicht mal was mit Angebot und Nachfrage? Ok, das war graue Theorie. Da wurde nicht bedacht, dass subventionierte Angebote auch ohne Nachfrage überleben können, dass eine Nachfrage meist überhaupt erst durch das Angebot geweckt wird. Und natürlich, dass die Wahl zwischen Pest und Cholera nicht wirklich eine Wahl ist. Man darf ja auch nicht vergessen, dass es durchaus unterschiedliche Interessen gibt. Heinz sieht gern Opern, Franz sieht gern Länderspiele. Wäre irgendwo unfair, Franz da komplett auszuschliessen und nur noch Opern zu übertragen. Auch sollte man bedenken, dass sogar Heinz nicht immer nur Opern sehen möchte. Dem gefällt auch mal eine Komödie, oder eine gut gemachte Sitcom. Und dass Herbert nach 8 Stunden hinter staubtrockenen Akten oder an einer Fräsmaschine einfach nur abschalten und sich lieber mit einem Krimi unterhalten lassen, als der "künstlerischen" Kameraführung einer Sendung über Frescomalerei im Italien des ausgehenden 15. Jahrhunderts ( unter besonderem Bezug auf die Einflüsse mamelukischer Pinselbinderei ) folgen möchte, ist auch irgendwo nachvollziehbar. Mit Einseitigkeit fährt man da nicht so gut. Zumindest, wenn man mehr als 3 Zuschauer haben möchte.

Aber, genau das ist das Problem. Die Einseitigkeit. Alles läuft nach Schema F ab. Laut muss es sein. Und grell. Und sensationell. Urinstinkte muss es ansprechen. Gewalt+Geniatlien. Sex+Sensationen. Brüste+Bomben. Schwachsinn+Schadenfreude. Mal ehrlich, ich habe nichts gegen einen guten Actionfilm. Oder einen Krimi. Ich liebe Komödien. Ich sehe mir auch unglaublich gerne Dokus an. Gute Dokus. Über Ausgrabungen von skythischen Fürstengräbern. Aber ich kann sehr gut auf den Mist verzichten, der den weitaus grössten Teil des Programms ausmacht.

Braucht man wirklich Castingshows, deren Sinn und Zweck die Bloßstellung talentfreier, aber hoffnungsvoller -oder naiver- Teilnehmer und die mediengerechte Ausschlachtung einer Eintagsfliege ist? Braucht man Seifenopern und Endlosserien, die sich auf die möglichst absurde Darstellung eines in einem Paralleluniversum möglicherweise denkbaren Alltages einschiessen? Braucht man Talkshows, deren Ziel wohl ist, dem grössten Vollpfosten das Gefühl zu geben ein intelligentes Lebewesen zu sein - weil er im Vergleich zu den Moderatoren Gästen das reinste Genie ist? Braucht man noch eine Gerichtssendung? Noch mehr Fernsehköche, die dümmliche Texte von sich geben? Noch mehr Dokus über die selbstverschuldete Armut von arbeitsscheuem Gesindel? Noch mehr Reportagen über weltbewegende Themen wie "wo bekommt man in Schland die grösste Bockwurst"? Braucht man noch ein Format für Humorlegastheniker wie Mario Barth oder Cindy aus Marzahn? Und alles bis zum Erbrechen wiederholt?

Mal unter uns, ich bin ein Kulturbanause. Das literarische Quartett habe ich mir bestenfalls mal der unfreiwilligen Komik wegen angesehen. Auf Kritiken gebe ich grundsätzlich nichts, ich bilde mir lieber meine eigene Meinung und stänkere dann selbst. Ich zappe auch weg, wenn auf Arte Jean-Jaques Bubu die Geschichte vom Räuber Hotzenplotz tanzt. Wenn Guido Knopp über Hitlers Postboten berichtet, rollen sich mir die Fußnägel auf. Und wenn News&Stories, 10vor11 oder wie auch immer sich dieses an eine verfilmte, mit schlechten Power Point Einblendungen verrührte Schülerzeitung erinnernde Format gerade schimpft läuft, bekomme ich Krämpfe. Lachkrämpfe. Hurz! Remember?

Lösung? Hab ich keine. Klar, man könnte einfach mal leisere Sendungen machen. Infotainment könnte sich eher auf Info als auf Entertainment konzentrieren. Man könnte in Dokus schlicht die Fakten darstellen und auf billige Meinungsmache verzichten. Weniger Spezialeffekte und dafür mehr Inhalt. Weniger Titten, mehr Text ( mh....wobei....Titten und Text, das würde mir schon reichen ). Aber. Würde das klappen? Nope. Warum? Weil garantiert nicht jeder mitzieht. Und wenn alle leise sind, dann fällt ein Schreihals besonders gut auf. Auffallen ist gut, das bringt Quote. Quote bringt Werbeeinnahmen. Werbeeinnahmen bringen Geld. Und darum geht es. Geld. Medien sind Teil der Wirtschaft. Und die möchte mit möglichst wenig Aufwand in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Geld verdienen.


P.S. Man könnte meinen, die Öffentlich-Rechtlichen wären, da sie ja über die Rundfunkgebühren recht viel Geld erhalten, von diesem Teufelskreis der Wirtschaft ausgenommen. Wie das in der Praxis aussieht, zeigt jedoch deren Programm. Unterm Strich muss man also sagen, dass das Konzept einer Gebührenerhebung zur Subventionierung von Minderheitenformaten in der jetzigen Form definitiv nicht funktioniert.

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