Donnerstag, 16. Oktober 2008

neues von...

...der front. Man bewirbt sich ja mittlerweile auch bei ziemlichen Kappesfirmen, die man als Kunde mit dem Hintern nicht ansehen würde. Zum Beispiel bei einer die damit wirbt, jede noch so dämliche Frage in wenigen Minuten zu beantworten. Dumme Antworten auf dumme Fragen geben, na das klingt natürlich nach wem? Genau, nach mir. Also bewerbe ich mich doch direkt mal dort. Es kommt sogar eine Antwort mitsamt Einladung zu einem Einstellungstest. Bei diesem Test fallen, verschiedenen Quellen zufolge, 90% der Bewerber glatt durch. Muss also recht schwer sein. Egal, man kann es ja trotzdem mal versuchen. Immerhin hat man schonmal Informationen über die Verdienstmöglichkeiten, die natürlich leistungsorientiert sind. Konkrete Zahlen verkneife ich mir mal, da könnte man ja eventuell Rückschlüsse ziehen, um welches Unternehmen es sich hier handelt. Aber ich verrate wohl nicht zuviel wenn ich sage, dass der "Antwortschreiber" etwa 1/8 dessen verdient, was der Kunde für die Antwort löhnt. Man könnte also, wenn man schnell ist, durchaus gut verdienen. Wenn man sehr schnell ist. Und alles über 4 € die Stunde als "gut" betrachtet. Ohne Zulagen. Wie es mit Zulagen aussieht, immerhin wollen Fragen auch Sonntags um 1:35 Uhr beantwortet werden, wird nicht gesagt. Man kann also vermuten, dass es keinerlei Zulagen gibt. Rosige Aussichten also.

Trotzdem, warum soll ich mir nicht mal eins wallraffen? Also trete ich an zum Test. Ganz der Profi bestätige ich den Termin schriftlich, bereite meinen Rechner vor und spreche den zuständigen Karnevalsprinzen Mitarbeiter pünktlich per Instant Message an. Exakt, wie es mir aufgetragen wurde. Bin ja ein braver Biber, ich tu ja was man mir sagt. Der Mitarbeiter kennt mich scheinbar noch aus dem Kindergarten, denn obwohl ich ihn mit "Sie" anrede, geht er ungefragt zum "Du" über. Klarer Fall, wir haben in unserer Jugend mal zusammen Schweine gehütet. In seiner kumplhaft-trockenen Art fordert er mich auf, mal etwas zu warten. Es könnten ja noch Nachzügler kommen. Und wenn wir ohne die anfangen, dann sind die bestimmt fürchterlich traurig. Muss ja nicht sein. Also warte ich. Natürlich habe ich permament das Nachrichtenfenster im Auge. Das geht alles auf Zeit hier, da muss man gegebenenfalls flink reagieren.

Nach 15 Minuten mache ich mir dann erstmal einen Tee. Als 30 Minuten um sind, surfe ich nebenher im Internet herum und betrachte Dächer via Google Earth ( das bereits geöffnet ist. Man könnte das ja brauchen ). Nach 45 Minuten ist der Test eigentlich schon um. Theoretisch. Praktisch hat er noch nichtmal angefangen. So langsam fühle ich mich dann doch verkaspert. Aber ich vermute, dass das zum Test gehören könnte. Ist man bereit, notfalls auch mal eine ganze Weile auf Fragen zu warten? Immerhin kann man ja nicht garantieren, dass die Mitarbeiter ständig ausgelastet sind. Wer dann nicht bereit ist, notfalls auch mal eine halbe Stunde -die man natürlich nicht bezahlt bekommt, man hat ja nichts geleistet- zu warten, der hat im gnadenlosen Dumpfsabbelbusiness nichts verloren. Dann, nach über 60 Minuten, wird es mir dann aber doch langsam zu blöde. Entweder jetzt passiert etwas, oder ich breche in Humor aus. An eine ernsthafte Beantwortung der Testfragen ist sowieso nicht mehr zu denken.

Höflich wie ich immer noch bin -manchmal bewundere ich meine Geduld-, frage ich den Mitarbeiter, ob er denn noch lebt ( nein, ich schreibe hier nicht "lebe" hin. Da muss schon Reich-Ranicki persönlich drum bitten ). Könnte ja sein, dass er einen Notarzt braucht. Oder dass seine Wohnung frei wird. Oder sein Job, den könnte dann ja gleich ich übernehmen, wo ich gerade mal da bin. Ja, es geht ihm gut. Verflixt! Da bin ich erleichert. Man ist ja doch irgendwo mitfühlend. Gerade mit den Menschen, mit denen Mutter Natur es anscheinend nicht ganz so gut gemeint hat. Auf meine Frage, ob wir dann auch irgendwann anfangen wollen, wird mir in gewohnt barschem höflichem Ton mitgeteilt, dass der Test schon vorbei ist ( sei, ich weiss ). Aber ich kann ja nochmal eine Stunde warten, ist kein Problem. Naja, für mich schon.

Was ist da denn passiert? Nach längerer Überlegung fahre ich mein Hirn auf Sparflamme runter. Ein guter Profiler versetzt sich in den Täter hinein, verstehst? Ausserdem entdecke ich ein Logfile, anhand dessen ich die Tat alles rekonstruieren kann. Der Mitarbeiter verfrachtete mich, nachdem er mich aufforderte mal "ne Weile" zu warten, in einen Chatraum. Das teilte er mir natürlich nicht mit. Mein Programm teilte mir das auch nicht mit, wozu auch? Normalerweise geht man ja absichtlich in einen Chatraum. Sehenden Auges. Bewusst. Da braucht man keine zusätzliche Meldung. In diesem Chatraum erklärte er kurz ( es sah nach copy&paste aus ) den Ablauf: man bekommt eine Datei mit Fragen zugeschickt, beantwortet diese innerhalb des vorgegebenen Zeitraums und schickt sie zurück. Eine Datei kam bei mir aber nicht an. DAS hätte mir das Programm in jedem Fall mitgeteilt. Wer konfiguriert schon ein Chatprogramm so, dass es automatisch jede geschickte Datei annimmt und auf der Festplatte abspeichert? Wie das Chatprotokoll mitteilt, haben etliche Bewerber ( woher wussten die von dem Chatraum? Der wurde nirgendwo erwähnt! ) die Datei nicht bekommen. Kompetente Problemlösung des Mitarbeiters: wer die Datei nicht bekommen hat, kommt halt später wieder. Keine Ahnung was da nicht geht, er hat geklickt und irgendwas hat gepiept. Bei ihm ist also alles richtig. Ganz grosses Tennis.

Also irgendwie....nein. Stellen Sie sich vor, man läd Sie zum Test. Werksgelände von einer echt riesigen Fabrik. Gebäude 4, 15:00 Uhr. Sie sind pünktlich, werden aufgefordert an der Garderobe zu warten und weiter passiert nichts. Weitere Mitbewerber ( in meiner virtuellen Garderobe konnte ich leider nicht sehen, wer da noch alles rumstand und vergeblich wartete ) werden direkt ins Gebäude 12 umgeleitet, an die dortigen Tische gesetzt und dann wirft der Mitarbeiter, der Sie vorhin noch im Gebäude 4 in die Garderobe gestellt hat, Prüfungsbögen in die Luft. Der, auf dessen Tisch einer landet, darf den Einstellungstest machen. Der Rest: RAUS! Sollen später nochmal antanzen, die Flaschen. Da kommt doch Freude auf, oder? Wo so gewissenhaft und professionell gearbeitet wird, da fängt man doch gerne an? Niemals käme man auf die Idee, dass in der Lohnabteilung auch so gearbeitet wird. Insbesondere, wenn das Unternehmen ein in den Augen vieler Menschen fragwürdiges Produkt vertreibt.

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