Freitag, 31. Juli 2009

Adieu, Holzmichl!

Die letzten Tage und Wochen habe ich mich ja ziemlich bedeckt gehalten, was Blogeinträge angeht. Mir fehlten die Zeit, die Lust und der Humor. Neben dem Zittern und Kämpfen um eine Vertragsverlängerung hatten wir noch einen sterbenskranken Stiefschwiegervater, um den es sich zu kümmern galt. Da bleibt wenig Freiraum. Und wenig Humor.

Gestern war es dann soweit, nach meinem letzten Feierabend ( natürlich war all das Bangen und Kämpfen um den Job erfolglos ) besuchten wir nochmal den Stiefschwiegervater. Den Holzmichl, wie ich ihn jetzt hier einfach mal nennen möchte. Das Lied mochte er eben. Es ging ihm sehr schlecht, wie nicht anders zu erwarten. Die letzten Wochen waren wir, mit Ausnahme von 2 oder 3 Tagen, täglich bei ihm. Wir haben gesehen, wie er jeden Tag mehr abgebaut hat, wie er immer dünner wurde, immer schwächer. Gestern ging es ihm sehr schlecht; zu dem Krebs kam noch eine Thrombose im Bein. Die unglaublichen Schmerzen, die allgemeine Schwäche, das zehrte ihn langsam aus. Sitzen konnte er schon einige Tage nicht mehr, Sprechen auch nicht und gestern konnte er sich nichtmal mehr auf die Seite drehen. Er lag nur auf dem Rücken, war unruhig, die Hände ständig in Bewegung. Sehr bald schickte er uns wieder heim; wir waren immer so lange bei ihm, bis er uns auf die ein oder andere Weise "rauswarf". Er hatte sich zwar über unsere Besuche gefreut, über das gekühle Mineralwasser, das selbstgekochte Apfelmus, den selbstgemachten Johannisbeersaft, Eis, Sekt, oder was auch immer wir ihm mitgebracht hatten. Aber es war doch sehr anstrengend für ihn, und nach einer Weile sagte er uns dann, daß wir ruhig wieder heimfahren sollen. Oder er gab uns wortlos die Hand. Gestern winkte er schwach und hauchte ein "Tschüss".

Ein paar Stunden später kam dann der Anruf. Gegen 19:10 Uhr ist er friedlich eingeschlafen. Daß er am Ende keine erkennbaren Schmerzen oder Angst hatte, konnte uns sein Schwiegersohn bestätigen. Der war nämlich gerade zufälligerweise dort. Wir haben uns sofort wieder angezogen, uns ins Bibermobil geschwungen und sind zum vorletzten mal ins Pflegeheim gefahren. Die Menschen dort waren alle wie gewohnt sehr nett zu uns und haben uns dann mit ihm alleine gelassen, damit wir uns verabschieden konnten. Das war kein Vergleich zum Nachmittag, jetzt lag er da, ganz friedlich und entspannt. Nur noch ein Schatten von dem fröhlichen und kräftig gebauten Mann, der er vor einer Weile war. Aber auch keine Spur mehr von dem von Schmerzen und dem Wunsch, endlich sterben zu dürfen geplagten Menschen, den wir noch am Nachmittag besucht hatten.

Jetzt ist hier ein Loch. Ein Loch im Leben, wo ein Mensch war. Und ein Loch im Alltag, wo die täglichen Besuche bei ihm waren. Und eine Last. Die Last der letzten Wochen, die wir jetzt erst wirklich bemerken. Auch an uns ging es nicht spurlos vorüber, wir mussten uns jeden Tag zu ihm quälen. Weil es uns so unglaublich schmerzte, ihn so sehen zu müssen. Aber noch viel mehr hätte es uns geschmerzt, wenn er dort ganz alleine hätte auf seine Erlösung warten müssen. Wir gingen und gehen am Stock, aber wir wären notfalls auch auf den Brustwarzen gekrochen um ihn zu besuchen.

Ich bin traurig. Nicht, weil er tot ist. Das war eine Erlösung für ihn. Ich bin traurig, weil er nicht mehr da ist. Weil er krank wurde. Weil er so leiden musste. Ich bin stolz. Auf die Frau Eichhorn, die in den letzten Wochen so viel Kraft und Hingabe gezeigt hat. Ich bin dankbar. Daß unsere Besuche ihn bis zum Schluß gefreut haben, wir ihn manchmal sogar noch zum Lächeln bringen konnten. Daß die Menschen im Pflegeheim alle so nett waren. Ich bin froh. Daß diese Scheiss Krankheit es nicht schaffen konnte, ihm seine Persönlichkeit zu rauben. Sie konnte ihn ermorden. Aber sie konnte ihn nicht verändern. Er blieb bis zum Schluss ein geduldiger, großzügiger und bescheidener Mensch.

Und von diesem Menschen möchte ich mich auch hier verabschieden. Mit dem letzten Wort, das er zu mir sagte:

Tschüss.


Alles andere habe ich ihm gestern ja noch persönlich gesagt. Jetzt versuchen wir, selbst wieder etwas Kraft zu tanken. Nur für uns. Wir sind erstmal fertig, und der Kampf um einen neuen Job steht ja auch schon vor der Tür.

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